Sind die deutschen Banken gerüstet für die Krise?
Sie haben hier wirklich eine beeindruckende Institution, in der die nächste Generation der Bankenaufsicht ausgebildet wird. Ein wichtiger Beruf und Berufung zugleich,
erwiderte Mark Branson die Begrüßungsworte von Hochschulrektor Erich Keller.
Dieser hatte in seiner Einleitung die gegenwärtige Situation als herausfordernd für den Bankensektor umschrieben. An der wirtschaftlichen Transformation zur Klimaneutralität, hohen Energiepreisen, den geopolitischen Risiken, der hohen Inflation und den massiv gestiegenen Zinsen machte Keller seine Einschätzung fest. Punkte, auf die auch Branson in seinem Vortrag einging. Der Kreislauf von Krise, Stärkung der Resilienz und erneuter Krise, hat die Tendenz sich zu wiederholen, so der BaFin-Chef. Zur Verdeutlichung der Wechselwirkung zwischen Kalibrierung und Komplexität zog Branson eine Analogie aus dem Verkehrswesen heran. Ein Tempolimit ist effektiv, weil es einfach zu verstehen und kalibrieren ist; ein unübersichtlicher „Schilderwald“ kann hingegen die Sicherheit auf den Straßen beeinträchtigen.
Ein Blick zurück in die Zeit der Wirtschaftskrise vor 90 Jahren
Als 1931 die Darmstädter Nationalbank zusammenbrach, kam es zu einer Welle von Panik und Ansteckungseffekten, die das Vertrauen der Anleger in das deutsche Bankenwesen erschütterte. Es kam zu einer Bankenkrise. In den Folgejahren sieht Branson die Gründerzeit der weltweiten Bankenregulierung mit den Mitteln der Einlagensicherung gegen Ansteckungseffekte und der Schaffung von Aufsichtskompetenzen. Das KWG, damals noch wenig umfangreich, wurde erlassen, denn „… eine Bankbilanz ist nicht per se inhärent stabil“, so Branson. Anschließend skizzierte und kommentierte er die Regulierungsvorgaben der Baseler Akkorde, die zunächst Eigenkapital- und später auch Liquiditätsvorschriften umfassten. Während die Basel-I-Normen (ab 1988) noch eher grob geschnitzt waren, zog mit Basel II (ab 2004) mehr Komplexität und eine zunehmende Modellgläubigkeit in die Risikosteuerung ein, die einen Rückgang der Eigenkapitalquoten zur Folge hatte. Die Basel-III-Normen (ab 2014) erhöhten die Eigenkapitalvorgaben dann nach den schlechten Erfahrungen der Finanzkrise 2007/2008 erneut. Leider seien entscheidende Teile von Basel III, insbesondere der „Outputfloor“, bis heute noch nicht umgesetzt, so Branson.
Wir sind mittendrin in einer schwierigen Phase
Je länger eine Phase des Niedrigzinses dauert, desto mehr Turbulenzen entstehen beim Ausstieg. Wir sind mittendrin und haben noch gar nicht alle Auswirkungen gesehen
, beschrieb Branson die aktuelle Normalisierung des Zinsumfelds. Zinsänderungsrisiken, resultierend aus unterschiedlichen Zinsbindungsfristen, nannte er als ein Kernrisiko der Bankbilanz. Die Zinsrisiken wurden aufgrund der langen Niedrigzinsphase eher unterschätzt. Außerdem habe sich die Dynamik der Krisen verschärft. Liquiditätsrisiken kämen infolge der großen Beachtung sozialer Medien durch breite Bevölkerungsschichten weitaus schneller auf einzelne Banken zu. Immer mehr Einleger würden kurzfristig auf schlechte Nachrichten reagieren. „Digital Banking“ und das aktuell sehr hohe Niveau kurzfristiger Sichteinlagen, die durch einen Mausklick zu anderen Banken transferiert werden können, begünstige solche Ansteckungseffekte. Der veränderte Medienkonsum in der Gesellschaft erhöhe die Nervosität an den Märkten und sorge für Ansteckungseffekte.
Die nächste Krise wird kommen
Ja, wir haben aus der Vergangenheit viel gelernt, zog Branson sein Fazit. Aber das heutige Regelwerk könne auch nicht alle Fragen der Zukunft beantworten. Wir müssen die Kalibrierung sicher machen, für Stabilität und Vertrauen sorgen, denn die nächste Krise wird kommen
, da ist sich Branson sicher. Um gewappnet zu sein, müssten vor allem die Zeitfenster des möglichen Handelns konsequent genutzt werden. Nach dem Vortrag beantwortete Branson zudem noch eine ganze Reihe von Fragen aus dem Publikum sowie von den online zugeschalteten Gästen.