Fritzi Köhler-Geib, aktuell noch Chefvolkswirtin der KfW und bald im Vorstand der Bank, spricht über die Auswirkungen von geopolitischen Spannungen auf die deutsche Wirtschaft. ©Walter Vorjohann

Regulatorische Fachtagung: Großes Interesse an geopolitischen Spannungen 12. Fachtagung der Hochschule der Deutschen Bundesbank

Sein letzter offizieller Auftritt als HV-Präsident: Thomas Ollinger eröffnet die Fachtagung. ©Walter Vorjohann
Thomas Ollinger
Wie wirken sich die geopolitischen Spannungen auf die Wirtschaft und das Finanzsystem aus? Darum geht es auf der zwölften regulatorischen Fachtagung der Hochschule der Deutschen Bundesbank, die Oliver Kruse und Andreas Höfer konzipiert haben. Das Thema erweckte so viel Interesse, dass der Kuppelsaal der Hauptverwaltung bis auf den letzten Platz gefüllt war. Wir mussten im Vorfeld sogar einen Anmeldestopp verhängen, sagt der Präsident der Hauptverwaltung Thomas Ollinger in seiner Begrüßung.

„Putin hat sich verzockt“

Einen Blick aus spieltheoretischer Perspektive auf den Ukraine-Krieg wirft Professor Christian Rieck von der Frankfurt University of Applied Sciences. Putin hat sich da verzockt, er hat nicht mit einer solchen Reaktion des Westens gerechnet, betont Rieck, wobei er den „Westen“ selbst nicht als eine Fraktion ansieht, sondern ihn in Europa und die USA unterteilt. Und gerade aus amerikanischer Sicht bringe die Entwicklung strategische Vorteile, weil Russland durch die Auseinandersetzung geschwächt werde.

„Grüne Märkte sind Wachstumsmärkte“

Wortgewandt und kompetent zeigt sich Fritzi-Köhler-Geib in der Diskussion mit dem Publikum. ©Walter Vorjohann
Wortgewandt und kompetent zeigt sich Fritzi-Köhler-Geib in der Diskussion mit dem Publikum.
Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, beleuchtet die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen auf die deutsche Volkswirtschaft und die Unternehmen. Sie zeigt auf, dass die schädlichen Handelsinterventionen im Zuge des Handelskonflikts zwischen den USA und China seit 2016 weltweit massiv zugenommen haben. Insbesondere Subventionen sind seither stark gestiegen: „Das ist natürlich ein Nachteil für eine offene Volkswirtschaft wie die deutsche.“ Alarmierend ist ihrer Meinung nach, dass die Unternehmensinvestitionen hierzulande im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt auf ein historisch niedriges Niveau gesunken sind.

Gleichzeitig verweist Köhler-Geib darauf, dass die Transformation zur Klimaneutralität in Deutschland ein Investitionsvolumen von rund 5 Billionen Euro bis zur Jahrhundertmitte erfordere. 90 Prozent entfallen dabei auf den privaten Sektor. Doch gerade hier sieht die Chefvolkswirtin auch Lichtblicke: Grüne Märkte sind Wachstumsmärkte. Und Deutschland ist in einer guten Ausgangslage bei Umweltschutz- und Klimagütern. Da war unsere Volkswirtschaft 2021 der weltweit zweitgrößte Exporteur. Grüne Technologien sind eine Stärke des deutschen Innovationssystems.

Höherer Handlungsdruck

Wie haben nun die deutschen Unternehmen auf die geopolitischen Krisen reagiert? Köhler-Geib, die vom Bundesland Hessen für den Bundesbank-Vorstand vorgeschlagen ist, hebt die enorme Anpassungsfähigkeit der Betriebe hierzulande hervor: Die Unternehmen waren extrem anpassungsfähig. Sie haben neue Lieferwege gefunden und in der Energiekrise Investitionen getätigt, um die Energieeffizienz ihrer Prozesse zu erhöhen, aber auch Energie eingespart durch Verhaltensänderungen. Doch gerade der Mittelstand klage, so die Referentin in den jüngsten Befragungen der KfW über die zunehmende Bürokratie und die Umwelt- und Klimaschutzbestimmungen: Hier sehen wir doch Schleifspuren, die die Wettbewerbsfähigkeit belasten. Hier ist für sie auch vor dem Hintergrund der Stagnation der deutschen Wirtschaft der Handlungsdruck mittlerweile deutlich gestiegen: Deutschland war zwischen 2005 und 2020 – bevor COVID und die Energiekrise uns getroffen haben – das einzige Industrieland, das sein Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu den USA steigern konnte. Wenn es gut laufe, werden Reformen oder Anpassungen oft hintenangestellt, jetzt sei die Situation eine andere.

„Schwarzes Loch“

Benjamin Weigert, Leiter der Zentralbereichs Finanzstabilität, referiert über die Folgen von geopolitischen Konflikten auf die Stabilität des Finanzsstems. ©Walter Vorjohann
Benjamin Weigert, Leiter der Zentralbereichs Finanzstabilität, referiert über die Folgen von geopolitischen Konflikten auf die Stabilität des Finanzsstems.
Wie sich geopolitische Spannungen auf die Stabilität des Finanzsystems auswirken, beleuchtet Benjamin Weigert, der Leiter des Bereichs Finanzstabilität der Bundesbank. Er führt aus, dass steigende geopolitische Risiken tendenziell mit höheren Abwärtsrisiken für das BIP- Wachstum in Deutschland einhergehen. Geopolitische Schocks erhöhen die Unsicherheit und damit die Risikoprämien an den Finanzmärkten, vermindern Investitionen und die Kreditvergabe. Zudem erhöhen sich Liquiditäts- und Kreditrisiken. Eine wichtige Dimension geopolitischer Risiken sind hybride Bedrohungen, etwa die Cyberrisiken: Diese Risiken haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch erhöht. Ein Angriff auf große, international vernetzte Kreditinstitute, könne insbesondere die Wirtschaft schwer treffen, wenn die Systeme des Instituts nicht mehr zugänglich sind: Das ist dann vergleichbar mit einem schwarzen Loch im Finanzsystem, wodurch die Liquidität von Unternehmen zumindest zeitweise „verschwindet“ und nicht mehr zur Verfügung steht. Generell könnten, so Weigert, Unternehmen und auch die Politik die geopolitischen Risiken für die Finanzstabilität minimieren, wenn sie Lieferketten anpassten und neue Partnerschaften aufbauen, um die Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu verhindern.