Live-Schalte nach Paris
„Aber Corona hat uns da leider einen Strich durch die Rechnung gemacht!“
So wurde die Vize-Gouverneurin aus Paris zugeschaltet und Vorstandsmitglied Balz aus Frankfurt. Rund 250 Studierende verfolgten aus ihrem Homeoffice in ganz Deutschland gemeinsam mit den knapp 100 Studierenden und Professoren in Hachenburg, aufgeteilt auf zwei Hörsäle, die Veranstaltung.
„Tiefgreifende Veränderungen“
„Der Anteil der EU an der Weltbevölkerung wird bis 2050 zurückgehen.“
Und innerhalb der EU-Bevölkerung werde der Anteil der Menschen, die 65 Jahre und älter sind, deutlich steigen, was zu höheren Kosten, beispielsweise in der Gesundheitsversorgung, führen werde.
„Koalition der Willigen“
„All diese tiefgreifenden Veränderungen berühren auch die Welt der Zentralbank“
, betont die Vize-Gouverneurin, die ihren Vortrag in deutscher Sprache hielt. Sie verdeutlicht dies am Beispiel des Klimawandels, der zu starken Schwankungen bei Energiepreise führe und sich so in der Inflationsrate niederschlage. „Selbst wenn Zentralbanken auf Kontinuität setzen und vom Vertrauen in sie leben, müssen sie auf diese gesellschaftlichen Veränderungen reagieren.“
Als gutes Beispiel erwähnt die 55-Jährige hier das Netzwerk der Zentralbanken zu „Green Finance“ („Network for Greening the Financial System“, NGFS) an. Diese „Koalition der Willigen“ wurde im Dezember 2017 mit acht Mitgliedern gegründet, unter anderem zählten die Banque der France und der Bundesbank dazu. Heute gehören dem NGFS 69 Institutionen an. „Dort werden methodologisch komplexe Themen behandelt, für die es keine einfachen Lösungen gibt“
, betont Goulard. Aber er sei wichtig, dass sich Zentralbanken mit diesem Thema befassen, weil die Finanzmärkte die negativen externen Effekte der Klimaverschmutzung bisher oft nicht ausreichend eingepreist hätten.
Lobende Worte findet sie auch für die European Payments Initiative (EPI), eine grenzüberschreitende Initiative des privaten Kreditgewerbes in fünf EU-Staaten, welche das Eurosystem unterstütze. Dass sich die Notenbanken im Eurosystem seit geraumer Zeit selbst mit der möglichen Einführung einer Digitalwährung befassen, bewertet sie ebenfalls als positiv. „Wir müssen hier vorbereitet sein, gerade weil die Zentralbanken in China und Schweden hier schon in ihren Überlegungen weiter vorangeschritten sind.“
Sorgen bereitet ihr hingegen die gerade im Zuge der Corona-Krise gestiegene öffentliche Verschuldung, die den Handlungsspielraum der Staaten beschränke.
„Seit der Verabschiedung der letzten Strategie 2003 hat sich die Welt stark verändert, so dass dieser Prozess notwendig ist“
, antwortet Goulard. Außerdem sei es für jede Institution gut, die eigene Strategie zu überdenken. Auf die Frage, welche Reformen für das Zusammenwirken im Eurosystem notwendig seien, sagt sie: „Ich befürworte alle Reformschritte, die das Vertrauen in die Währung und die Konvergenz im Währungsraum erhöhen.“
Reformen, die nur Streit hervorrufen, lehne sie hingegen ab. Da sei sie pragmatisch.