Bundesbankpräsident Nagel besucht die Hochschule
Erstmals in seiner Rolle als Bundesbankpräsident besuchte Joachim Nagel die Hochschule der Bundesbank und sprach dort vor Studierenden, Lehrenden und Vertreterinnen und Vertretern aus Bankgewerbe und Politik über die Entscheidungsfindung in der Euro-Geldpolitik.
Spitzenrefinanzierungsfazilität, Sicherheitenrahmen und Mindestreserve – das Fachvokabular in der Geldpolitik hört sich erstmal nicht besonders spannend an. Umso erstaunlicher, dass Bundesbankpräsident Joachim Nagel in seiner Rede bei der Hochschule in Hachenburg den Weg zu geldpolitischen Entscheidungen, bei dem Fachleute Daten, Modelle, Analysen und Prognosen zusammenbringen, mit einem Krimi verglich: „Mit nur einem einzelnen Hinweis erkennt man meist nicht, wie der Tathergang war. Kombiniert man aber alle Hinweise richtig, ergeben sie zusammen ein Bild.
“ Natürlich gebe es in der Geldpolitik wie bei einem Krimi besondere Herausforderungen: „Manchmal lassen sich aus den Hinweisen unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Und manchmal reichen die Hinweise nur für ein ziemlich uneindeutiges Bild.
“
Ein eher wechselhaftes Bild zeigte sich in der Vergangenheit bei den Inflationsprognosen des Eurosystems. Lange Jahre prognostizierten die Fachleute der Euro-Notenbanken eher zu hohe Teuerungsraten. Seit 2021 unterschätzen die Prognosen die Preissteigerung tendenziell. Nagel erklärte, woran das liegt: „Schätzmodelle sind oft fehlerbehaftet, wenn es Strukturbrüche gibt. Da können – wie im Krimi – manche Hinweise in die Irre führen
.“ Die Energiepreise seien schließlich schon vor Beginn des Ukraine-Kriegs merklich angezogen und der EZB-Rat habe begonnen, die Kommunikation anzupassen.
„EZB-Präsidentin Lagarde hat auf der Pressekonferenz nach der Sitzung im Februar betont, dass die Inflationsrisiken zugenommen haben
“, sagte Nagel. „Und die Märkte haben diesen Hinweis verstanden und reagiert.
“ Sie hätten steigende Kurzfristzinsen in den kommenden Monaten und einen früheren Zeitpunkt für eine erstmalige Erhöhung des Leitzinses erwartet. Auch daran zeige sich, wie wichtig die Kommunikation mit den Finanzmärkten sei: „Es geht darum, die Erwartung zu befeuern, dass sich die Inflationsrate mittelfristig Richtung zwei Prozent bewegt
.“
Mandat prägt den Meinungsaustausch
Die März-Sitzung des EZB-Rats nach Beginn des Krieges am 24. Februar sei ein Meilenstein auf dem Weg zur Normalisierung der Geldpolitik gewesen: „Letztlich hat diese Sitzung die Trendwende in der Geldpolitik eingeleitet
“, erklärte Nagel. Dort sei beschlossen worden, die Anleihekäufe rascher zu reduzieren. Zudem seien mögliche Zinserhöhungen nach dem Ende der Nettoankäufe angekündigt worden. Die wichtigste Leitplanke der Gespräche im EZB-Rat sei das klare Mandat der Zentralbank für Preisstabilität: „Das war der Kern der Diskussionsbeiträge in der Sitzung, trotz der schwierigen geopolitischen Lage mit dem Ukraine-Krieg und seinen Folgen.
“ Damit widersprach Nagel dem manchmal in den Medien aufkommenden Eindruck, die EZB-Ratsmitglieder seien Vertreter nationaler Interessen.
Nur ein weiterer Schritt zur Normalisierung
Seit der März-Sitzung sind die Preise abermals angestiegen, was den Handlungsbedarf für die Zentralbank erhöht hat. Der Ausblick ist für Nagel eindeutig, auch wenn er der kommenden EZB-Ratssitzung nicht vorgreifen möchte: „Es geht nun um einen deutlichen Schritt Richtung Normalisierung der Geldpolitik, nicht um ein Tightening („Anziehen der Zügel“) wie ich es vereinzelt gelesen habe
.“ Perspektivisch müsse auch der Abbau der immensen Überschussliquidität angegangen werden, die nach den massiven Anleihekäufen derzeit bei 4500 Milliarden Euro liegt: „Vor Ausbruch der Finanzkrise lag diese Überschussliquidität bei null. Die Rückführung der hohen Anleihebestände wird eine gesonderte Herausforderung
.“
Fragerunde mit vielfältigen Themen
In der anschließenden Diskussionsrunde stellten die Studierenden Fragen zur aktuellen Geldpolitik aber auch zur Kommunikation von Zentralbanken. Auf die Frage, wie er aktuell die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern bewerte, sagte Nagel: „Unsere Themen sind schwierig zu verstehen, für viele Menschen sind das böhmische Dörfer. Aber gerade jetzt ist eine klare, einfache Sprache umso wichtiger, weil die Preissteigerungen viele Menschen betreffen. Hier liegt aber noch eine steile Lernkurve vor uns.
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Zum Schluss gab es noch eine eher private Frage zum Schlafpensum des Bundesbankpräsidenten. „Es ist nicht immer ausreichend“, gab Nagel zu. „Aber ich habe ja gewusst, auf was ich mich einlasse. Diese Aufgabe kann ich nur dank der tollen Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bewältigen.
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