Besuch in Hachenburg Einblick in den Alltag des Präsidenten der Bundesbank
Die Plätze im Vortragssaal des Schlosses Hachenburg sind fast komplett gefüllt, als Bundesbankpräsident Joachim Nagel, begleitet von Hochschulrektor Erich Keller, den Raum betritt. Der Präsident begrüßt freundlich Studierende und Lehrende, ehe er kurz Platz nimmt und der Rektor ein paar einführende Worte spricht: Es ist eine Ehre und Freude, dass Sie sich als Präsident Zeit nehmen für die Studierenden an Ihrer Hochschule.
Am Rednerpult gibt der Präsident seinem Publikum im nun mit knapp 200 Personen komplett gefüllten Saal einen Einblick in seinen Terminkalender für diese Woche: Direkt im Anschluss reist er nach Berlin, wo er an der Sitzung des Bundeskabinetts teilnehmen wird, in der der Jahreswirtschaftsbericht besprochen wird. Die Wirtschaftspolitik hat ja auch Rückkopplungseffekte auf die Geldpolitik
, erklärt Nagel.
„Eine ganze Horde schwarzer Schwäne“
Der Präsident geht im Folgenden auf all diese Themen ein, gibt aber zunächst einen Rückblick auf die Entwicklung der Teuerung seit seinem Amtsantritt Anfang 2022. „Die Inflation war schon vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs deutlich über unserem Zielwert von zwei Prozent und es war damals aus Sicht der Bundesbank schon absehbar, dass dies kein vorübergehendes Phänomen war, was ich auch in meiner Antrittsrede gesagt hatte“, betont Nagel. Insgesamt kam eine ganze Horde schwarzer Schwäne zusammen, so dass die Inflation derart aus dem Ruder lief.
Mittlerweile sei die Teuerung wieder auf dem Rückzug.
Die aktuelle Entwicklung zeige auch, dass eine restriktive Geldpolitik nicht unbedingt zu lehrbuchmäßigen Reaktionen auf dem Arbeitsmarkt führe. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit bleibt nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung aus
, sagt Nagel. Aber die geldpolitische Straffung habe dennoch eine dämpfende Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung entfaltet. Somit haben wir durch unsere Entscheidungen im EZB-Rat die Inflation zumindest gebändigt.
„Keine Sorge um die Solidität der Bilanz“
Eine Folge der langen Zeit der ultralockeren Geldpolitik ist auch, dass die Gewinne der deutschen Notenbank seit 2020 konstant sind – nämlich bei null liegen. Der Präsident erklärt den Hintergrund: Auf der Aktivseite haben wir sehr niedrig verzinste Staatsanleihen und auf der Passivseite müssen wir seit dem Zinsanstieg die Überschussreserven der Banken weitaus höher verzinsen.
Zugleich stellt er klar: Unser Mandat sind stabile Preise und nicht möglichst hohe Gewinne. Ich habe keine Sorge um die Solidität der Notenbankbilanz.
Nagel erinnert daran, dass die Bundesbank schon in den 1970er-Jahren einige Jahre Verluste erzielt habe und dies über Verlustvorträge gelöst habe – dies beabsichtigt die Bundesbank auch in der aktuellen Lage.
Der Vortrag des Präsidenten endet nach 45 Minuten, genauso lange geht die folgende Diskussionsrunde, die Hochschulrektor Keller moderiert. Ein Student will wissen, ob die Forward Guidance, mit der der EZB-Rat seine Politik den Märkten in der Niedrigzinsphase ankündigte, Vergangenheit sei. Die Forward Guidance ist nicht tot
, erwidert Nagel. Aber die Vorzeichen haben sich durch die Strukturbrüche 2022 total verändert. Wir orientieren uns jetzt an den Daten, denken von Sitzung zu Sitzung – und das ist richtig so.
Ein anderer Student fragt, ob der digitale Euro nicht eine Gefahr für das Bargeld darstelle. Nagel hebt hervor, dass die Bundesbank sich für das Bargeld einsetze. Aber wir können nicht an der Realität vorbeiagieren.
Wenn die Umwelt durchweg digitaler werde, müsse man reagieren. Und dabei will der Bundesbankpräsident sich nicht auf Zahlungsanbieter verlassen, die ihren Sitz außerhalb des Euroraums haben: Wir haben schon bei der Energieversorgung gesehen, dass systemrelevante Infrastrukturen ihren Sitz im Euro-Gebiet haben sollten.
„Ohne Allüren“
Am Ende der vielschichtigen Diskussion wird der Präsident mit langanhaltendem Applaus offiziell verabschiedet, aber er isst noch gemeinsam mit den Studierenden und den Lehrenden. Danach geben ihm ein paar Studierende und Hochschulrektor Keller sogar noch eine kurze Führung durch das Schloss. Für den Präsidenten war es ein guter Auftakt in eine ereignisreiche Woche, für die Studierenden und Lehrenden in Hachenburg eine großartige Begegnung mit ihrem obersten Chef. Studentin Caroline Rudloff spricht vielen aus der Seele, als sie nachher sagt: Das war klasse. Der Präsident ist uns gegenüber völlig ohne Allüren und echt nahbar begegnet.