„Rasch Ersatz für Riester-Rente“
Noch befinden wir uns in einer demografischen Atempause. Aber das ändert sich zügig
, so beschrieb Martin Werding vor gut 150 Studierenden, Professorinnen und Professoren und externen Gästen in Hachenburg die aktuelle demografische Lage in Deutschland. Denn der Altenquotient steigt in den nächsten Jahren stark an – von jetzt gut 35 % auf 50 % Ende der 2030er-Jahre. Dieser Quotient zeigt das Verhältnis zwischen der Bevölkerung im Ruhestand und der arbeitenden Bevölkerung auf. „Und dann bleibt der Altenquotient auf diesem Hochplateau, er sinkt nicht. Da ragt Deutschland übrigens auch im Ranking der OECD-Staaten heraus“, betonte der renommierte Finanzwissenschaftler. Ohne die Zuwanderung wäre die Lage übrigens noch weitaus schwieriger.
Deshalb fordert der Wirtschaftsweise auch die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Mit Blick auf die steigende Lebenserwartung empfiehlt er die Regelaltersgrenze heraufzusetzen – und zwar gekoppelt an die Lebenserwartung: Da gibt es eine 2:1-Regel. Von jedem weiteren Jahr steigender Lebenserwartung sollten die Versicherten zwei Drittel länger arbeiten und ein Drittel länger in Rente gehen. Das neutralisiert sich dann automatisch.
Keine Stellschraube im System bei Geburtenrückgang
Für die gesunkenen Geburtenzahlen gebe es hingegen im Umlagesystem keine passende Stellschraube, weshalb der Wirtschaftsweise dort für eine Alternative wirbt: Wir müssen hier die Kapitaldeckung ausbauen, insbesondere die private Altersvorsorge.
In diesem Zusammenhang verwies Werding, der Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität in Bochum lehrt, auf eine Umfrage des infas-Instituts aus dem Jahr 2023. Demnach besaßen immerhin 62 % der befragten Rentenversicherten im Alter von 25 bis 66 Jahren eine betriebliche Altersversorgung oder einen Riestervertrag. Insgesamt nur 16 % der Befragten besaßen keine ergänzende Altersvorsorge. Wir wissen aber nicht, wie hoch die Vorsorge ist
, schränkte der Finanzwissenschaftler ein.
Verbindlicher, einfacher und rentierlicher
Da die Riester-Rente als erster Versuch der privaten Altersvorsorge heute kaum noch genutzt werde und gescheitert sei, sollte ein neuer Anlauf „anders als bisher“ gestaltet werden (siehe auch Interview unten). Es muss verbindlicher für die gesetzlich Versicherten sein
, mahnte der Referent an. So könnten die Versicherten automatisch in die private Altersvorsorge einbezogen werden und nur mit einem expliziten Opt-Out daraus entbunden werden. Das könnte vertretbar sein, wenn sie bereits eine betriebliche Altersvorsorge besitzen oder eine eigene Immobilie zur Altersabsicherung erworben haben.
Er empfiehlt auch eine einfachere Ausgestaltung: „Es sollte entweder eines oder wenige, stark standardisierte Produkte geben.“ Und mit Blick auf die Rendite der Altersvorsorge fordert der Referent geringere Kosten für Vertrieb und Verwaltung und Anlageformen mit höherer Rendite: Das sind vor allem Aktien in einem international gestreuten, passiv gemanagten Portfolio.
„Verlorene Jahre“
In mehreren Folien veranschaulichte das Mitglied des Sachverständigenrats eindrucksvoll, dass eine wie von ihm vorgeschlagene private Altersvorsorge das Rentenniveau nachhaltig stabilisieren könne, ohne dass der Rentenbeitragssatz gesteigert werde. „Die volle Stärke erreicht sie nach 40 bis 45 Jahren. Umso wichtiger für unsere junge Generation ist es, dass wir so rasch wie möglich damit beginnen.
Daher bedauerte er auch, dass in der abgelaufenen Legislaturperiode bei der privaten Altersvorsorge kein Fortschritt erzielt wurde: Das waren drei verlorene Jahre. Für den Ausbau der privaten Altersvorsorge ist es spät, aber nicht zu spät. Es ist ein dringendes Problem. Wir brauchen rasch einen Ersatz für die Riester-Renten.
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